Mindelheimer Museen

Kapelle mit Geschichte

Zeit erlebbar machen

Memento mori ...

Kunstwerk Turmuhr

Meister ihres Fachs

Präzision in Vollendung

Astronomische Wunderwerke

Faszination Uhr - Damals & Heute

Schwäbisches Turmuhrenmuseum

In der ehemaligen Silvesterkirche und deren 48 Meter hohem Turm zeigt das „Schwäbische Turmuhrenmuseum“ etwa 50 Turmuhren aus der Zeit von 1562 bis 1978, dazu zahlreiche Taschenuhren, Pendulen, Sonnenuhren u.a. Werke der Uhrmacherkunst. Das im Jahr 1979 von Wolfgang Vogt gegründete Museum präsentiert somit die reichhaltigste und älteste Sammlung ihrer Art in Deutschland. Eine eigenartige Faszination geht von den tickenden, rasselnden, läutenden oder pfeifenden Uhren aus. Wer meint, Turmuhren seien lediglich wenig ansprechende Gebrauchsgeräte wird angesichts ihrer künstlerischen Gestaltung, ihrer technischen Finesse und handwerklichen Meisterschaft eines Besseren belehrt.

Kapelle mit Geschichte

Seit vielen Jahrhunderten sind Turmuhren unüberhörbare Glaubensboten. Sie verkünden die Frohbotschaft von oben herab im Stundentakt. Turmuhren machen deutlich, wie unsere Lebenszeit abläuft, jede auf ihre individuelle Weise, dass der Mensch weiß, was die Stunde geschlagen hat. Sie sind mehr als nur Gebrauchsgegenstände, werden durch ihre künstlerische Gestaltung, theologische Aussage und technische Finesse zu Persönlichkeiten. Wo könnten diese „Zeitzeugen der Zeit“ besser untergebracht sein, als in einer ehemaligen Kapelle mit besonderer Geschichte? Gestiftet und gebaut im Auftrag der Herzogin Anna von Teck, einer Königstochter aus Polen im Jahre 1409, erfährt dieses historische Gebäude im Zentrum Mindelheims eine hohe Wertschätzung.

Zeit erlebbar machen

Das Schwäbische Turmuhrenmuseum, im Jahre 1979 von Lehrer Wolfgang Vogt gegründet, ist ein Erlebnis besonderer Art: für Kinder und Jugendliche, Erwachsene, Laien und Spezialisten. Ruhe herrscht in diesem Museum nicht, wenn die riesigen Chronometer ticken, Hebel einfallen, Windflügel auslaufen, eine historische Glocke von Hand geläutet wird oder eine Flötenuhr ihre Lieder spielt. Mit rund 50 Turmuhren aus fünf Jahrhunderten ist die Sammlung in der ehemaligen Silvesterkapelle die erste und reichhaltigste in Deutschland. In Etappen wird auch der 48 m hohe Kapellturm im Herzen der Stadt bestiegen, um das Umfeld der alten Zeitmesser und ihre Geschichten ganzheitlich bei einer Führung zu erleben.

Memento mori

Vor wenigen Jahrzehnten war das Ende der mechanischen Turmuhr gekommen. Fast alle wurden stillgelegt und durch vollelektrische Haupt- und Digital-Quarz-Uhren ersetzt. Die ersten Waaguhren riefen Ende des 13. Jahrhunderts Mönche in Klöstern zum Gebet, Ratsherren zu Sitzungen und bestimmten Anfang und Ende von Märkten und das Schließen der Stadttore. Mindelheim kann bereits im Jahr 1414 einen Uhrmacher namens Heinrich nachweisen, der wohl die Zeitgeber der neuerbauten Stadtpfarrkirche, der Silvesterkapelle und des Rathauses betreute. Anfang des 16. Jahrhunderts wird der Uhrmacher Mathias Reit weit über die Grenzen Mindelheims hinaus bekannt, da er außergewöhnliche Exemplare anfertigte.

Kunstwerk Turmuhr

Michael Silbernagel (1699–1755), Sohn eines Huf- und Waffenschmiedes, trat 1723 in das Franziskanerkloster in Schwaz ein. Als Bruder Johann Capistran brachte er die Domuhren in Brixen und Bozen auf den neuesten Stand. Im Alter von 50 Jahren kam er im Jahre 1749 nach Füssen und fertigte dort seine vorletzte Uhr. Dieses Kunstwerk zeigt auf eindrucksvolle Weise, dass damalige Zeitmesser nicht nur einwandfreie Dienstleister sein mussten, sondern auch „den Meister aller Dinge loben sollten“, wie es Peter Henlein ausdrückte. Noch vor 50 Jahren allzu oft als ungenaue Veteranen der Zeitmessung verkannt und stillgelegt weiß man Turmuhren heute umso mehr als vergessenes Kulturgut zu schätzen.

Meister ihres Fachs

Über all die Jahrhunderte war der Schmied ein wichtiger Handwerksberuf. Er formte durch Zuschlagen, Strecken, Stauchen, Schlichten, Lochen etc. das glühende Eisen. Zu den Spezialisten wie Kunst- und Waffenschmieden gehörten auch die Turmuhrmacher. Sie mussten wissen, wie man Übersetzungen berechnet, Teilungen auf Zahnräder überträgt, Lager härtet und Zähne formt.
Einige berühmte Turmuhrmacher im 18. Jh. waren im Allgäu Franz Xaveri Liebherr aus Immenstadt, Josef Bernhard aus Rettenberg und Johann Luitz aus Kühbach. Die Familie der Barensteiner baute über vier Generationen in Kirchthal bei Seeg hochwertige Turmuhren und rüstete damit Kirchen, Klöster und Schlösser im Hochstift Augsburg aus.

Präzision in Vollendung

Genaue Zeitangaben waren für Astronomen nützlich und für die Seefahrt unbedingt notwendig, um die Position eines Schiffes zu bestimmen. Mit fortschreitender Modernisierung des Verkehrswesens durch die Eisenbahn mussten Fahrpläne abgestimmt werden, die einheitliche Zeiten für bestimmte Zonen voraussetzten. Im Jahre 1893 wurde die Mitteleuropäische Zeit eingeführt. Besondere Hemmungen und Pendel ermöglichten bereits im 19. Jahrhundert bei Turmuhren eine Ganggenauigkeit, die vorher nur bei Präzisionspendeluhren erreicht wurde. Im Museum wird eine mechanische Turmuhr vorgeführt und erklärt, die über ein halbes Jahrhundert lang die „genaueste Bayerns und wahrscheinlich sogar der Welt“ war. (D. Riefler)

Astronomische Wunderwerke

Bereits im Altertum wurden sogenannte Astrolabien als wissenschaftliche Instrumente verwendet und im ausgehenden Mittelalter wertvollste astronomische Uhren in Kirchen, an Rathäusern oder Stadttoren angebracht, um aus der Konstellation von Sonne, Mond und den Sternen astrologische Deutungen zu treffen. Bis heute bewundert man das Wissen und die Kunstfertigkeit der Konstrukteure, die schon vor Jahrhunderten erschufen, was heutzutage ohne moderne Hilfsmittel kaum vorstellbar wäre. In unserem Museum ist der Nachbau einer astronomischen Uhr aus dem Jahre 1529 zu erleben. Ein ganz besonderes Zeigerwerk bewegt auf einem Astrolabium den Mond-, Sonnen-, Drachenzeiger und Tierkreisring mit verschiedenen Umlaufzeiten. Auf diese Weise werden z. B. Finsternisse, Tag- und Nachtlängen oder Mondphasen sichtbar.

Faszination Uhr – Damals & heute

Superlative beeindrucken – auch bei Zeitmessern!
Wer hat wo die erste, älteste Räderuhr gebaut?
Was ist die Komplizierteste, Teuerste, Kleinste …?

Der Turm der ehemaligen Silvesterkirche bot die Chance, ein einmaliges Projekt zu realisieren. Zum 25-jährigen Jubiläum des Museums im Jahr 2004 wurde die sog. „Kapell-Uhr“ in Betrieb genommen: Sie besitzt das damals längste Pendel der Welt mit 26,14 m Länge und integrierter Kompensation, einen Klöppel als Pendelscheibe mit ca. 120 kg, bewegt im 5-Sekunden-Rhythmus von einem modifizierten Denison-Gang, angetrieben von einem nur 150 g leichten Gewicht. Auf dem Chronometer-Zifferblatt sind Sekunden, Minuten und Stunden ablesbar.

Stephanus-Turmuhr

Zum 40. Geburtstag des Museums wurde im Juni 2019 die historische Turmuhr der Stadtpfarrkirche St. Stephan gleich in der Nachbarschaft am Oberen Tor vor dem Forum zu neuem Leben erweckt und öffentlich aufgestellt. Das Präzisionswerk von dem berühmten Turmuhrmacher und Mechanikus Johann Mannhardt (München) aus dem Jahr 1872 weicht nur wenige Sekunden am Tag von der wahren Zeit ab. Sie zeigt auf vier Zifferblättern die Zeit, den Wochentag, das Datum, Mondalter und –phase, den Stand der Sonne im Tierkreis und im Monat an.

Wasseruhr

Zum 35jährigen Bestehen des Turmuhrenmuseums wurde 2014 im Herzen Mindelheims auf dem Marienplatz eine antike Wasseruhr aufgestellt. Der Nachbau des Hydrochronometers von dem Griechen Ktesibias (um 250 v. Chr.) zeigt von Ostern bis Allerheiligen die verflossenen Stunden.