Das schwäbische Krippenmuseum
Das 2019 mit dem Schwäbischen Museumspreis der Hans Frei-Kulturstiftung ausgezeichnete, neugestaltete Schwäbische Krippenmuseum besitzt eine umfangreiche und hochkarätige Sammlung regionaler Krippen aus fünf Jahrhunderten. Dabei wird ein Bogen gespannt von der ältesten Krippe Schwabens, bei der es sich um eine der ersten Krippen nördlich der Alpen handelt, bis hin zu Werken der zeitgenössischen Krippenkunst.
Das Schwäbische Krippenmuseum bietet jedoch weitaus mehr als eine chronologische Abfolge idyllischer Welten im Kleinen. Vielmehr werden einzelne Themeninseln rund um das Thema „Krippe“ erschlossen. Die verschiedenen Herstellungstechniken, Materialien und vor allem die Menschen, die die Objekte einst schufen, werden im Rahmen der Dauerausstellung vorgestellt. Die hinter den Krippen stehende Kulturgeschichte nimmt im Schwäbischen Krippenmuseum den größten Raum ein, weshalb das Museum ganzjährig geöffnet ist.
Informationen zum Schwäbischen Krippenmuseum mit bewegten Bildern finden sie auch auf YouTube
Wiedereröffnung – Bericht und Kamera: Stefanie Schweble – katholisch1.tv
Informationen des Kulturamts – Kulturamtsleiter Christian Schedler M.A.
Visuelle Kommunikation - Erfindung der Krippen
Mitte des 16. Jahrhunderts entwickelte der Jesuitenorden die Krippe als Medium der Verkündigung. Die Jesuiten erkannten, dass Bilder wesentlich eingängiger sind als das gesprochene Wort einer Predigt. Freistehende Figuren, die lebensecht wirkten und miteinander zu interagieren schienen, waren in der Gegenreformation ein neuer und vor allem wirkungsvoller Vermittlungsweg.
Die Szenerien wurden angereichert mit Effekten, die alle Sinne berührten und die Menschen in ihren Bann zogen: Musik, Lichtreflexionen, Theaterstücke, die von Jesuitenschülern vor der Krippe dargeboten wurden, oder der Duft echter Speisen. Die Mindelheimer Jesuitenkrippe, die erstmals 1618 aufgestellt wurde, ist die älteste Krippe Schwabens.
Vorläufer der Krippe: Christkind-Figuren
Einzelne Christkind-Figuren waren direkte Vorläufer der Krippen. Sie sind eine „Erfindung“ schwäbischer Frauenklöster zu Beginn des 14. Jahrhunderts. Um 1500 war es in Schwaben schließlich gängige Praxis, dass eine solche Figur beim Eintritt ins Kloster mitgebracht wurde. Ein herausragendes Beispiel schuf der schwäbische Bildhauer Michel Erhart um 1495.
Die Bildhauer dieser Zeit betonten nicht nur die Realitätsnähe der Figuren, sondern auch die Interaktion mit anderen Personen der Weihnachtsgeschichte. Dies war wegbereitend für die ersten Krippen, die in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts entstanden.
Das Highlight der Sammlung ist jedoch das älteste Christkind der Welt aus dem Jahr 1300.
Prachtenfaltung und Schaulust
Schwäbische Barockkrippen
Zeitdokumente: Krippen als Spiegel ihrer Zeit
Mittels einer Medienstation können die Museumsbesucher*innen dem Phänomen „Stern von Bethlehem“ aus heutiger wissenschaftlich- astronomischer Sicht auf den Grund gehen.
Auch Generationen von Krippenbauern bemühten sich, die Geschehnisse rund um das Jahr „Null“ aus ihrer Sicht möglichst genau darzustellen. Dabei gaben sie sehr viel mehr über ihre eigene Lebenswirklichkeit preis, als dass sie historisch korrekt die Ereignisse um Christi Geburt dokumentierten.
Beispielhaft hierfür ist die Krippe der Mindelheimer Franziskanerinnen. Sie stellten im 18. Jahrhundert ihre Krippenfiguren in einen detailgetreuen Nachbau der Geburtskirche von Bethlehem wie sich diese damals den Wallfahrern im Heiligen Land präsentierte.
Krippenparadies: Leidenschaft und Broterwerb
Die Gegend um Krumbach wird als Schwäbisches Krippenparadies bezeichnet. Denn spätestens seit dem 19. Jahrhundert lassen sich in jedem noch so kleinen Ort mehrere begabte Laienschnitzer nachweisen.
Die Schnitzkunst des aus Burgau stammenden Josef Wiegel war um 1900 stilbildend. Unzählige Hobby-Schnitzer versuchten ihm nachzueifern. Die Lebensgeschichte dieses Maurergesellen, für den Schnitzen nicht nur ein Hobby war, sondern zum Unterhalt seiner Großfamilie beitrug, wird im Schwäbischen Krippenmuseum erzählt. Ihr gegenüber steht die Geschichte einer Mindelheimer Bäckerfamilie, deren prächtige Großkrippe zur gleichen Zeit reine Liebhaberei und Ausdruck ihrer leidenschaftlichen Krippenbegeisterung war.
Masse statt Klasse?!
Die serielle Produktion von Krippenfiguren
Die Krippenbegeisterung erreichte um 1850 auch ärmere Schichten und erforderte neue, schnellere und vor allem preisgünstigere Herstellungsmethoden. Zuerst standen typisch schwäbische „Bachene“ – aus Lehm in einer Form „gebackene“ Figuren – hoch im Kurs.
Schon gegen Ende des Jahrhunderts wurden jedoch gegossene oder gepresste Figuren aus Wachs, Pappmaschee, Gips oder Masse zu wahren Verkaufsschlagern.
In den 60er Jahren nutzte man schließlich die gleichen Formen zur Herstellung von Plastikfiguren. Auch Papierkrippen aus Ausschneidebögen wurden in Augsburg ab 1700 gedruckt.
Die schwäbische Stadt war damals Marktführer in Europa. Im 20. Jahrhundert übernahm der Esslinger Verlag Schreiber diese Rolle.
Auf Echtheit geprüft: Orientalische Krippen
Schwäbische Krippen verlegten den Schauplatz der Geburt Jesu in eine schwäbische Landschaft. Die Figuren kleidete man dementsprechend in schwäbische Tracht. Die Hohepriester erschienen in damals zeitgenössischen Messgewändern.
Im Gegensatz dazu entwickelte sich um 1800 in München die orientalische Krippe. Ziel war es, ein genaues Abbild des Heiligen Landes und auch seiner Menschen zu erstellen. Spätestens seit den 1920er Jahren wurde dieser Stil zum Inbegriff der Kunstkrippe. Für eine authentische Darstellung unternahmen einige Künstler sogar Studienreisen ins Heilige Land.
In Schwaben wurden die „bayerisch-orientalischen“ Figuren zu einem „Must Have“ und verdrängten oder ergänzten viele alte schwäbische Krippen.
Zeitgenössische Kunst: Video, Skulptur, Comic
Bis in die 1960er Jahre war der Stil einer Künstler-Krippe eine orientalische Welt im Kleinen. Seit einigen Jahrzehnten ist ein gegenläufiger Trend zu beobachten: Weg von den ambitionierten Bastelarbeiten, hin zu zeitgenössischen Ausdrucksformen wie Skulpturen oder neuen Medien.
Die Bildhauerarbeiten, Videos oder Comic Strips versetzen das Geschehen entweder in die heutige Zeit oder entrücken es durch Abstraktion jeglichem Raum und der Zeit. Damit soll die universelle Gültigkeit des Themas zum Ausdruck kommen, die oft mit aktuellen gesellschaftlichen Fragen verknüpft wird. Die bildhafte Darstellung des Weihnachtsgeschehens wird in unserer „Iconic World“ als Medium der visuellen Kommunikation eingesetzt.