Carl Millner-Galerie – Landschaftsträume der Romantik
Mit dem Erwerb eines Gemäldes von Carl Millner legte die Stadt Mindelheim in den 1970er Jahren den Grundstein für die heutige umfangreiche Sammlung an Werken dieses bedeutenden Landschaftsmalers der Münchner Schule.
Durch die großzügige Unterstützung zahlreicher Sponsoren wie der Sparkassenstiftung Memmingen-Mindelheim, der Sparkassenstiftung Mindelheim, der Volksbank-Memmingen-Stiftung, der VWEW-Energie, des Förderkreises der Mindelheimer Museen e.V. sowie privater Gönner konnte die städtische Sammlung seit den 1990er Jahren einen kontinuierlichen Zuwachs ihrer Bestände an Gemälden, Aquarellen, Zeichnungen und Skizzen verzeichnen. Bis 2012 war die Sammlung so weit ausgebaut, dass eine Gemäldegalerie in den Museen im Colleg eröffnet wurde.
Bis 2018 lagen kaum Daten zur Biografie Carl Millners vor. Quellen, die die Nachfahren Millners bis dahin archiviert hatten, machten vor allem den Menschen Carl Millner erst fassbar. Die Neukonzeptionierung der Carl Millner-Galerie im Jahr 2018 trug diesen neuen Erkenntnissen Rechnung.
Carl Millner-Galerie
In nahezu allen Lexika wird Mindelheim als Millners Geburtsort angegeben. Tatsächlich kam er in München als Heinrich Karl Preckle zur Welt. Seine Mutter – das aus Mindelheim stammende, ledige Dienstmädchen Isabella Preckle – verstarb kurz nach der Geburt. Das Waisenkind, das sich später den Künstlernamen Carl Millner zulegte, verbrachte seine Kindheit in München und Umgebung.
Zumindest einmal hat Millner die Heimatstadt seiner Mutter besucht wie die nebenstehende Darstellung der Mindelburg von 1845 zeigt. Es handelt sich um eines der ersten Landschaftsgemälde Millners. Auf insgesamt 80 m² werden 30 Ölgemälde präsentiert, denen zahlreiche Zeichnungen, Skizzen und Aquarelle beigeordnet sind. Die Werke bilden die gesamte Schaffenszeit Carl Millners ab. Darüber hinaus werden ein Werk von Julius Lange, den Millner als seinen Lehrer bezeichnete, sowie ein Gemälde seines Schülers Josef Schoyerer in Bezug zur Malerei Carl Millners gesetzt.
Carl Millner
1825 wurde Carl Millner in München geboren. 1840 besuchte er die Polytechnische Zeichenschule in Vorbereitung auf das von 1841 bis 1846 andauernde Studium an der Akademie in München. Im
Anschluss daran begab sich Millner auf Studienreise, die ihn in die Schweiz und nach Österreich führte. In den 1850er Jahren folgten Wanderungen nach Tirol und Niederbayern sowie mehrere Reisen nach Italien. 1858 gründete Millner in München ein Atelier. 1859 erwarb König Ludwig I. das erste Gemälde für die neue Pinakothek.
Viele Aufträge der Wittelsbacher sowie des Kaisers Franz Josef sollten
folgen. Befördert durch das Interesse hochadeliger Kreise begann eine äußerst produktive Schaffenszeit. Millners Atelier entwickelte sich
zu einem florierenden Betrieb, in dem nicht nur Auftragsarbeiten für
einen lokalen Käuferkreis geschaffen wurden. Seine Gemälde wurden schon im 19. Jahrhundert nach England und Amerika verkauft.
1895 starb Carl Millner in München.
Grafische Arbeiten
Millner unternahm – vor allem in der Zeit nach seinem Studium – mehrere Reisen, die ihn von Holland bis nach Sizilien führten. Unterwegs hielt er seine Eindrücke in Bleistift- und Kohlezeichnungen fest. Die meisten Zeichnungen entstanden im Gebirge und zeigen Bergmassive, Felsformationen, Wildbäche oder Bergseen. Einige Blätter sind schnell ausgeführten Skizzen. Mit wenigen Linien deutete Millner eine vage Momentaufnahme an. Andere Zeichnungen sind detaillierter und wurden von Millner mit Notizen zu den im Moment des Zeichnens vorherrschenden Farben und Lichtverhältnissen versehen. Um sich später im Atelier die Farbstimmungen wieder ins Gedächtnis zu rufen, kolorierte er manche Zeichnungen mit durchscheinenden Aquarellfarben. Darüber hinaus findet man in Millers Skizzenbüchern auch detailreich ausgearbeitete Zeichnungen, die weniger die Linie betonen, sondern vielmehr durch die Wirkung von Hell und Dunkel äußerst malerisch erscheinen.
Gemälde
In der Mitte des 19. Jahrhunderts zeichnete sich die Landschaftsmalerei durch eine realistisch wirkende Naturwiedergabe aus. Bei diesen Gemälden handelte es sich jedoch nicht um naturgetreue Landschaftsportraits. Es waren vielmehr arrangierte Gemälde, die konkrete Berge und Gebirgsportraits in idealisierter Komposition vereinigten. Die jungen Künstler der Münchner Schule, zu der auch Carl Millner zu zählen ist, durchwanderten damals das Münchner Umland und die Alpen und fertigten Zeichnungen als Gedächtnisstütze an, die den später im Atelier geschaffenen Ölgemälden zugrunde lagen. Auch Carl Millners Gemälde sind Inszenierungen, die auf verschiedenen Skizzen und Zeichnungen basieren. Äußerst selten entspricht eine einzige Zeichnung einem Gemälde – wie beim nebenstehenden Gemälde „Maler und Wetterhorn“. Für gewöhnlich setzte Carl Millner einzelne Motive vieler Skizzenblätter versatzstückartig zu einer neuen Komposition zusammen.
Motive der Romantik
Erst um 1840 fanden vermehrt romantische Tendenzen Eingang in die Malerei der Münchner Schule. Dies äußerte sich etwa in der Hinwendung zu Märchen, Mythen und Sagen oder in einer Vorliebe für mittelalterliche Burgen und Städte.
Mittelalterliche Gebäude sowie in der Zeit der Romantik künstlich errichtete Ruinen kamen der in dieser Kunstepoche geschätzten Ästhetik des Zerfalls entgegen. Bei der von Millner dargestellten „Magdalenenklause im Nymphenburger Schlosspark“ handelt es sich um ein solches Gebäude.
Die Ölskizze „Mittelalterliche Klosteranlage in Italien“ verweist wiederum auf das Mittelalter als romantisch verklärte, idealisierte Vergangenheit. Ferner kommt in dieser Skizze die als Inbegriff vonBildung gepflegte Italiensehnsucht zum Ausdruck. Zahlreiche Zeichnungen von italienischen Landschaften belegen Millners Wanderungen durch Italien, die bereits seit der Renaissance als fester Bestandteil einer künstlerischen Ausbildung galten.
Idealisiertes Landleben
Zu Beginn des 19. Jahrhunderts wandelte sich die Sicht auf die Natur ebenso wie die Bewertung des bäuerlichen Lebens. Das Leben auf dem Land schien im Gegensatz zur urbanen Existenz natürlich und unverdorben zu sein. Die Münchner Maler fertigten Gemälde, die einerseits das Münchner Umland und dörfliche Partien zeigen. Andererseits gehört das Hochgebirge zu ihrem Motivkreis.
Das allgemein wachsende Interesse an der Natur führte zur wissenschaftlichen Erforschung derselben. Die Beobachtung von Wetterphänomenen, die Klassifikation von Pflanzen und Tieren sowie geologische Studien leisteten wiederum der Begeisterung für die Natur und somit auch der Landschaftsmalerei weiteren Vorschub. Das Hochgebirge war zu dieser Zeit noch unerforschtes Neuland und somit ein aktuelles Bildmotiv.. Der aufkommende Alpinismus und Frühtourismus zogen Wagemutige als Bergsteiger ins Hochgebirge. Die meisten Frühtouristen fuhren jedoch zur Sommerfrische aufs Land.
Alpine Bildthemen
„…ging ich 54, 56 u. 57 nach Oberitalien, habe dort ebenfalls einige Bilder geschaffen. Doch die Vorliebe zur deutschen Gebirgsnatur, verdrängte wieder die italienischen Motive u. ausschließlich widmete ich mein ganzes Studium denselben.“
Gebirgslandschaften mit Wasserfällen oder reißenden Wildbächen gehörten zu den bevorzugten Themen der Münchner Schule. Die Darstellung der scheinbar unbezwingbaren Urgewalt war ebenso beliebt wie das konträre Thema der vom Menschen gezähmten Natur – beispielsweise in Gestalt von Mühlen.
Das von Millner am häufigsten gewählte Bildmotiv sind dramatische Hochgebirgslandschaften mit schneebedeckten Gipfeln oder zerklüfteten Felsformationen, die die Natur in ihrem Urzustand zeigen. Viele seiner hochalpinen Landschaften liegen unter einem wolkenverhangenen Himmel. Die Unberechenbarkeit der Bergwelt kommt durch diese gewittrigen Stimmungen als theatralische Inszenierung der Natur zum Ausdruck.
Lichtstimmungen
In Bezug auf die Lichtgebung ist der Einfluss Carl Rottmanns auf Millners Malerei nicht zu verkennen. Nach dessen Vorbild setzte er das Gegenlicht der Sonnenauf- und untergänge virtuos in Szene. Ein weiteres Lichtphänomen in Millners Malerei ist das Alpenglühen. Während das Tal verschattet in der Dämmerung liegt, erscheint der Gebirgskamm in gleißendem Rosa.
Eine besondere Herausforderung hinsichtlich der Lichtregie offenbart sich jedoch in der Darstellung einer vom Mondlicht fahl beleuchteten Landschaft. Geheimnisvolle Mondnächte waren ein zentrales Thema im Motivkreis der Romantik und fanden vor allem in der Lyrik ihren Ausdruck. In der Malerei erscheint dieses Motiv eher selten, was auf technische Schwierigkeiten bei der Darstellung einer nächtlichen Landschaft zurückzuführen ist. Die Abwesenheit des Lichts nötigt den Maler, auf eine äußerst reduzierte Farbpalette zurückzugreifen und belegt so dessen ausgesprochene Meisterschaft.